Rakkaus! • (finnisch: Liebe) by Christian Gasser

Rakkaus! • (finnisch: Liebe) by Christian Gasser

Autor:Christian Gasser [Gasser, Christian]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783644534513
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2014-09-16T00:00:00+00:00


Ich saß am Steuer von Kimmos altersschwachem Amischlitten. Die Stimmung war unangenehm. Ich hatte kein Auge zugetan, auch die anderen waren übernächtigt, Tuula und Kimmo außerdem übel verkatert und missgelaunt. Streit und Sex hatten die unguten Spannungen offensichtlich nicht gelindert.

Wir fuhren ziellos durch die Gegend. Wald, Wald, ein See, Wald, mehr Wald, ein Bauernhof, zwei Felder, fünfzehn Kühe, ein See, wieder Wald und Wald, See und Wald, darüber Himmel und Wolken – und plötzlich: eine Straßenkreuzung, zwei Supermärkte, eine Bar – ein Ensemble von hinreißender Hässlichkeit. Wir stiegen aus, kauften Piroggen, füllten unseren Wagen mit Benzin und unsere Thermoskanne mit säuerlichem Filterkaffee auf und fuhren weiter: Wald, Wald, See, drei rote Holzhäuser, Wald, Wald.

So ist Finnland: grün und flach, mit dunkelgelben und blauen, oben auch weißen Streifen und Tupfern durchsetzt, schön und idyllisch. Nach ein paar Stunden indes ist eine gewisse Eintönigkeit nicht zu leugnen, zumal auch die Wälder sich ähneln: Monokulturen, also Kiefern-, Fichten- und Birkenfelder sozusagen, schnell hochgezüchtet, um möglichst bald gefällt und zu Pulpe verarbeitet werden zu können.

Kimmo schob eine Kassette ein. Finnischer Hardrock. Nicht gerade meine Lieblingsmusik. Kimmo zuckte dazu mit seinem Kopf, seine linke Hand suchte auf dem imaginären Gitarrenhals nach den richtigen Griffen, während seine rechte auf die Saiten eindrosch. Dabei grimassierte er verzückt und beobachtete sich im Rückspiegel, den er zu sich gedreht hatte. Er trainierte. Es war also unmöglich, die Kassette aus dem Fenster zu schmeißen.

Kimmo war das, was man einen finnischen Modellathleten nennen könnte. Er war nicht nur ein disziplinierter Weltklassebiertrinker und -kaffeesäufer, der dank seines konsequenten Trainings ein augenfälliges Übergewicht aufwies, sondern hatte in den vergangenen Jahren an Weltmeisterschaften in den unterschiedlichsten sportlichen Disziplinen für Furore gesorgt: Als Frauenträger, Handyweitwerfer (Bronze), Gummistiefelweitwerfer, Mückentotschläger (ein vierter Rang) und Schlammfußballer. Auf einem Ameisenhaufen hatte er es nackt und mit bloßem Hintern sensationelle eine Stunde und 57 Minuten ausgehalten, aber am erfolgreichsten war er als Luftgitarrist (einmal Silber, einmal Bronze, zweimal Vierter) gewesen, und nun plante er fünf Jahre nach seiner letzten Luftgitarren-WM-Teilnahme sein Comeback.

Der Finne ist sportverrückt, und nicht geringer als die Begeisterung ist der Ehrgeiz des Passivsportlers. Allerdings ist in diesem nicht gerade bevölkerungsreichen Land das weltmeisterliche Potenzial in international hart umkämpften Disziplinen wie Skispringen, Motorsport (inkl. Baumfällen mit Motorsägen), Eishockey und Hammerwerfen (inkl. Holzfälleräxte) beschränkt, und der Finne – hier sind die Frauen ausdrücklich nur am Rand mitgemeint – dürstet nach mehr Gelegenheiten, um Siege, Medaillen und Titel mit einem Koskenkorva zu feiern. Aus diesem Grund erfinden die Finnen immer wieder neue Sportarten, in denen sie zum einen das Lokalkolorit ihrer Natur und Kultur zur Schau stellen, zum anderen ihre angeborenen Fähigkeiten nutzen und so von Weltmeistertitel zu Weltmeistertitel eilen.

Deshalb gibt es die Saunaweltmeisterschaft in Heinola, deshalb wurde die Weltmeisterschaft im Eisschwimmen in Jyväskylä erfunden, und deshalb werden auf dem zugefrorenen Inari-See weltmeisterliche Auto-Rallyes mit hohem Crashfaktor ausgetragen; es werden weltmeisterlich Bäume gefällt und Preiselbeeren gepflückt, mit Fäustlingen Darts gespielt, wettkampfmäßig Tango getanzt, Erbsen weit geworfen und gespuckt, Karaoke gesungen und geschwiegen. Kein Finne interessiert sich für die Fußball-WM der



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